Eine Branche im Umbruch muss zusätzlich mit den Pandemiefolgen fertig werden

Wenn es um Wachstum, Beschäftigung und innovative Entwicklung geht, gilt die deutsche Automobilindustrie zu Recht als Schlüsselindustrie. Angebot und Nachfrage bestimmen sich dabei in der Automobilindustrie zunehmend auf einer globalen Ebene. In China, USA und Großbritannien werden rund 75 Prozent des Gesamtumsatzes in der Automobilindustrieerwirtschaftet. In letzter Zeit hatte die Branche mit vielen Widrigkeiten wie dem Diesel-Gate und Abgasprüfstandards WLTP, den Anforderungen der heraufziehenden Energiewende sowie dem kommenden Brexit zu kämpfen. Die Pandemie hat hier teilweise Probleme verschärft und die strukturellen Besonderheiten der Automobilindustrie weiter verdeutlicht. Unter dem Strich kam die Schlüsselbranche Automobilindustrie nicht zuletzt durch die schnelle Erholung des chinesischen Marktes und staatliche Maßnahmen wie die Mehrwertsteuersenkung im 2. Quartal 2020 bisher besser durch die Krise als erwartet. Vorsichtiger Optimismus ist in der Automobilindustrie vorherrschend, wenn auch weiter stark von internationalen Einflüssen abhängig.

Die direkten Pandemiefolgen in der Automobilindustrie

Vor allem auf der Absatzseite traf Corona die Branche zunächst hart. Absatzeinbrüche vor allem in China, geschlossene Autohäuser bei uns – in der ersten Hälfte des Jahres 2020 verringerte sich der Umsatz im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum um 60 %. Im April 2020 wurden allein in Deutschland über 60 % weniger Autos zugelassen als im Vergleichsmonat 2019. Globale Lieferketten brachen zunächst weg und schon im ersten Quartal 2020 war der Absatz in China um 80 % eingebrochen. Schätzungsweise haben die deutschen Autobauer insgesamt weltweit in 2020 etwa 1 Million weniger Fahrzeuge produziert als 2019.

Drastische Wirkungen im Personalbereich bleiben in der Automobilindustrie bisher aus

Kurarbeit und interne Maßnahmen wie der Abbau von Arbeitszeitkonten haben dafür gesorgt, dass es nicht zu einem befürchteten intensiven Einbruch bei den Beschäftigungszahlen in der Automobilindustrie gekommen ist. In einigen Bereichen konnte sogar Home Office geleistet werden. Dennoch erreichte die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden im April 2020 in der Automobilindustrie ein historisches Tief. Ähnliche Zahlen wurden selbst während der Finanzkrise 2009 nicht realisiert. Die Erholung zum Ende 2020 konnte dennoch in der Automobilindustrie schneller erreicht werden als gedacht: Ede 2020 waren nur noch rund 50 % der Unternehmen in Kurzarbeit – anders als im Frühjahr 2020 mit 87 %. Das ist vor allem der schnellen Erholung auf dem chinesischen Markt zu verdanken. Suche und Auswahl von Führungskräften in der Automobilindustrie finden in Zeiten der Krise immer noch statt.

Die Pandemie als Innovationstreiber in der Automobilindustrie?

Die Umbruchsbranche Automobilbranche könnte in einzelnen Bereichen auch von der Krise profitieren. Wie es aussieht, werden Umstrukturierungsprozesse in Richtung Digitalisierung beschleunigt. Auch scheint sich abzuzeichnen, dass die Automobilindustrie von einer steigendenden Tendenz bei der Zulassung von Elektrofahrzeugen weitere Impulse erwarten darf. Dabei mögen staatliche Förderprogramme und die Konzentration auf das eigene Umfeld durch Corona eine Rolle spielen. Im Bereich Elektrofahrzeuge stieg die Zahl der Neuzulassungen innerhalb von 12 Monaten von 2% Ende 2019 auf 14% Ende 2020. Der Umstrukturierungsprozess von Verbrennern zu Elektrofahrzeugen ist hier im vollem Gange und scheint durch die Krise auch mit befeuert zu werden.

Vorsichtig optimistische Aussichten für die Automobilwirtschaft

Vorausgesetzt, dass der internationale Absatz vor allem auf dem chinesischen Markt durch Corona nicht erneut einbricht, sollten sich die verhalten positiven Impulse in der Automobilindustrie stabilisieren können. Auch hat sich der Industriezweig zwischenzeitig einigermaßen mit den durch die Pandemie bedingten Maßnahmen bei der Organisation der täglichen Arbeit arrangiert. So dürfte die Automobilindustrie mit weiteren Pandemiefolgen wie immer noch auftretenden Lieferengpässen etwa durch den Mangel an Containern im internationalen Speditionsgeschäft fertig werden können. Mittlerweile kämpft sich die Automobilindustriewie andere Schlüsselbranchen hierzulande durch die 3. Welle der Pandemie. Sie darf bei ihren Umstrukturierungsbemühungen nicht nachlassen, wenn sie die anhaltende Krise überstehen will. Corona sorgt hier für zusätzlichen Druck und schärft den Blick für Veränderungsnotwendigkeiten. Die Pandemie ist ein ungewöhnlicher Taktgeber für die Automobilindustrie.

Weitere Infos beim Verband der Automobilindustrie VDA